LOONEY TUNES Bearbeitungsphasen
Oder: Wie die "Bunte Bunny-Schau" entstand
Phase 1 (1970)
Im Jahr 1970 strahlte das ZDF dreizehn Folgen "Bunny und seine Kumpane" aus. Leider waren darüber bis vor kurzem keine Bild- und Toninformationen bekannt. Die Bearbeitung erfolgte in München unter der Leitung von Eberhard Storeck. Das Titellied entsprach in Kurzfassung der Originalmelodie. Daffy Duck und Porky Pig bekamen weibliche Stimmen und Daffy ging als Ente "Elvira" durch. "Meinereiner" und ähnliche Sprüche gab es nicht.
Phase 2 (1972-1973)
Unter der Regie von Heinrich Riethmüller wurde die "Porky Pig-Show" bei Simoton Film in Berlin eingedeutscht. Dieter Kursawe verpflichtete man für den nunmehr männlichen Daffy Duck und Walter Gross führte als Schweinchen Dick durch die Sendung. Toni Herbert und Angelika Pawlowsi gaben Sylvester und Tweety zum Besten, während sich die schrille Brigitte Mira mit ihrer Version der Granny relativ nah am Original bewegte. Foghorn Leghorn wurde mit Martin Hirthe besetzt, Barnyard Dawg hatte wechselnde Stimmen wie z.B. Peter Schiff und Wolfgang Völz und als Elmer Fudd war Herbert Weißbach zu hören.
Im zweiten Jahr der Show ergänzte man die Show mit in München synchronisiertem Material und Schweinchen Dick präsentierte "Bunny der Hase", erstmals mit Gerd Vespermann in der Rolle des Bugs Bunny. Durch die Vermischung der beiden Synchronfassungen hatte Daffy Duck nicht nur zwei verschiedene Stimmen, sondern als Elvira auch ein anderes Geschlecht. Auf politischen Druck hin wurde die Sendung wegen angeblicher Brutalität vom ZDF aus dem Programm genommen.
Phase 3 (1979)
Das ZDF strahlte 1979 erstmals die "Merrie Melodies"-Show unter dem Titel "Die Schnellste Maus von Mexiko" aus. Und erneut ging der Synchronauftrag nach Berlin. Arnold Marquis verpflichtete man als Vorspann-Sprecher. Für die Hauptfigur Speedy Gonzales holte man Joachim Tennstedt ans Mikrophon und für Daffy Duck sprach Dieter Kursawe. Einige Speedy-Cartoons waren bereits in der "Schweinchen Dick"-Show gelaufen. Dort hatte Speedy Gonzales, wie im Original, eine hochgepitchte Stimme.
Mittels Tontechnik setzte man für "Die Schnellste Maus von Mexiko" an den bisherigen, von Speedy Gonzales gesprochenen Stellen Joachim Tennstedts Dialoge und Mel Blancs Original-Arriba-Rufe darüber. Die Unterschiede fallen spätestens bei genauerem Hinhören auf. Im Gegensatz zur "Schweinchen Dick"-Show präsentierten Speedy Gonzales und Daffy Duck je Folge fünf Looney Tunes, anstatt wie bisher vier, so dass zum Teil extrem gekürzt wurde.
Phase 4 (1983)
1983 ging der Synchronauftrag für Bugs Bunny und Co. wieder nach München. Mit Ausnahme von Dieter Kursawe alias Daffy Duck bekamen alle anderen Charaktere Münchener Stimmen. "Die große bunte Bunny-Schau" präsentierte wieder vier Cartoons, die zum Teil neu und zum Teil aus dem Archiv der Phase 2 stammten.
Bisherige Looney Tunes mit Ente "Elvira" wurden mit Dieter Kursawe neu vertont und durch den Berlin/München-Mix hatten die meisten Figuren zwei verschiedene Stimmen. So sprachen Herbert Weicker für Foghorn Leghorn, Leon Rainer für Barnyard Dawg, Peter Thom für den Hühnerhabicht Henery Hawk und Walter Reichelt für Yosemite Sam. Auch Tweety und Sylvester klangen in den neuen Bearbeitungen anders als bisher. Von der alten Garde verpflichtete man Gerd Vespermann als Bugs Bunny und Kurt Zips als Elmer Fudd. Beide hatten im zwei Jahre zuvor erstaufgeführten Kinofilm "Bugs Bunnys wilde verwegene Jagd" dieselben Rollen übernommen. Im Fernsehen war erstmals Gerd Vespermanns Name im Vorspann der Bugs Bunny-Show "Mein Name ist Hase" zu lesen.
Wohl um einen erneuten politischen Eklat zu vermeiden, legte man Bugs Bunny eine ganz eigene, verharmlosende Sprache in den Mund. Dadurch lässt sich leicht festlegen, aus welcher der Phasen die einzelnen Cartoons tatsächlich stammen.
Phase 5 (Schweinchen Dick Teil 2)
Mitte der 1980er Jahre erhielt Simoton Film erneut den Auftrag, Schweinchen Dick-Cartoons zu synchronisieren. Leider besetzte man nicht die bisherigen Sprecher, sondern Wolfgang Spier als Porky Pig und Wilfried Herbst als durchgeknallte Ente Daffy Duck. Die Rolle des Erzählers übernahm Wolfgang Ziffer. Der Großteil des Materials bestand aus eingefärbten Schwarzweiß-Looney Tunes aus frühen Jahren. Obwohl Wilfried Herbsts Organ irgendwie mehr oder weniger zum Daffy Duck der 1930er Jahre passte, war das Ganze weder ein optischer noch akustischer Genuss. Verhunzt wurden dadurch auch späte Klassiker wie "The Scarlet Pumpernickel" und "Robin Hood Daffy", welche ebenfalls ihre Bearbeitung in dieser Phase fanden.
Öffentlich-rechtliche Programmpolitik
Ausgewählte Folgen, Laufzeiten und Shows
Für Redakteure wie Gert Mechoff war es üblich, ausgewählte Folgen von US-Serien in 13er-Paketen einzukaufen. So konnte man bei wöchentlicher Ausstrahlung für jeweils ein Vierteljahr im Voraus planen. Die Laufzeiten mussten exakt ins Programmschema passen und waren deshalb mit 25 oder 45 Minuten Länge genau abgesteckt. Heikle Themen wurden vermieden und deshalb ganze Folgen weggelassen, gekürzt, umgeschnitten oder umgetextet. Beispiele dafür gibt es genug. So wurde z.B. die Serie "Magnum" für RTL komplett neu synchronisiert, weil die ARD zuviel gekürzt hatte, "Raumschiff Enterprise" für die DVD-Veröffentlichung aufwendig nachbearbeitet und Fehlstellen neu eingesprochen und "Captain Future" auf DVD nur mit dem deutschen Ton in der vom Fernsehen bearbeiteten Kurzfassung veröffentlicht. Ähnliches gilt für "Ein Colt für alle Fälle", "Columbo" und viele andere Serien.
Das Synchronmonopol hatte seinerzeit Leo Kirch, der Filme und Serien für den deutschen Markt bearbeiten ließ. Die Aufträge liefen über seine Firmen wie Taurus und Beta Technik, die eng mit den Synchronstudios in München und Berlin zusammenarbeiteten. Fürs ZDF kaufte Gert Mechoff die TV-Shows für das Vorabendprogramm ein. Darunter "Dick & Doof", "Western von gestern" und die "Looney Tunes". All diesen Beispielen ist die Länge von 25 Minuten und die Zusammenstellung aus mehreren Kurzfilmen gemein. Und "Kurzfilme" waren es in der Tat, denn oft bekam der Zuschauer wirklich nur Ausschnitte aus Filmen zu sehen.
Um Kosten zu sparen wurde zuerst das Bildmaterial zusammengestellt und danach synchronisiert, so dass von manchen Passagen nie eine deutsche Sprachfassung gab. Wenn eine Serie gut lief und weitere Folgen eingekauft wurden, griff man gerne auf bereits verwendetes Material zurück. Dies fällt besonderes bei "Dick & Doof" und den Looney Tunes-Shows auf, wo einzelne Kurzfilme mehrfach zum Einsatz kamen. Bei Wiederholungen der Serien wurde immer wieder überarbeitet und zum Teil neu synchronisiert.
Bei den Looney Tunes gibt es deshalb z.B. verschiedene ZDF-Fassungen von "Nelly’s Folly", "Scrambled Aches", "Senorella And The Glass Huarache", "The Abominable Snow Rabbit" und "Duck! Rabbit! Duck!", um nur ein paar zu nennen.
Private Property
Oder: Leos Ausverkauf geht in die nächste Runde
Anfang der 1990er Jahre wanderten die Looney Tunes vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu den Privatsendern. Allen voran Pro7, Sat.1, Kabel 1 und Premiere bzw. Junior an denen Leo Kirch Anteile besaß. Zunächst sendete Pro7 einige Bugs Bunny-Specials, während fast parallel noch die Bugs Bunny-Show im ZDF lief. Mit der Übernahme durch die Privaten änderte sich einiges. Die Garderobenszene im Vorspann wurde gekappt und die Zusammenstellung so verändert, dass ein Werbeblock in die Mitte des Sendeformats passte. Zur besseren Identifizierung erhielten die Folgen Titel, die generisch eingefügt wurden. Mit Ausnahme der bei "Speedy Gonzales" gezeigten Heckle & Jeckle Cartoons (Terrytoons) achtete man, anders als beim ZDF, peinlich genau darauf, dass keine Looney Tunes mehrmals auftauchten. Dadurch liefen bei "Schweinchen Dick" nur noch Porky Pig-Cartoons. Allerdings in zwei unterschiedlichen Formaten mit 50 bzw. 26 Folgen mit nicht völlig identischem Inhalt.
Leo Kirchs Übereifer sorgte wohl auch dafür, dass in den Programmen der ARD die von den Privatsendern nicht verwendeten Teile von "Mein Name ist Hase" und "Schweinchen Dick" liefen. Die Cartoons wurden einzeln gesendet. Anhand der Tonspur lässt sich aber eindeutig schließen, dass diese aus den fürs ZDF bearbeiteten Shows stammen. Da wirft Bugs Bunny alias Gerd Vespermann in gewohnter Weise mit "meinereiner"-Sprüchen um sich, Porky alias Walter Gross spricht aus dem Off während Kinder klatschen und die Besetzungsliste der anderen Stimmen spricht genauso für sich.
Diese ARD-Cartoons unterlagen alle nicht dem Copyright der Warner Bros., sondern dem von MGM/UA. Die Warner Bros. hatten sämtliche Lizenzen an ihren Cartoons vor August 1948 verkauft. Mitte der 1980er Jahre übernahm Turner Entertainment die Rechte, weshalb bei den betreffenden Looney Tunes vom sogenannten "Turner-Paket" gesprochen wird. Erst seit dem Zusammenschluss der beiden Gesellschaften im Jahr 1996 ist der Looney Tunes Back-Katalog wieder unter einem Dach vereint.
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